Sara wünscht sich eine Welt ohne Krieg und Diskriminierung. Während eines interkulturellen Austauschprojekts im Kinderdorf Pestalozzi hat sie gelernt, wie wichtig es ist, sich Stereotypen und Vorurteile bewusst zu machen, und wie sie abgebaut werden können.
Vierzig Jugendliche sitzen mit geschlossenen Augen im Kreis. Catalina Primo, Pädagogin im Kinderdorf Pestalozzi, geht umher und klebt den Jungen und Mädchen einen farbigen Punkt auf die Stirn. Als die Jugendlichen die Augen wieder öffnen, gibt sie den Auftrag, Gruppen zu bilden. Schnell ordnen sich die Teilnehmenden des Austauschprojekts nach der Farbe ihrer Punkte. Jovan hat keinen Punkt erhalten. Er wird von allen Gruppen ausgeschlossen und steht alleine da. «Diese Aktivität spiegelt wider, wie es in unserer Gesellschaft oft zugeht», sagt Catalina. Sie erklärt den Jugendlichen: «Wir lernen von klein auf, Menschen nach bestimmten Merkmalen zu gruppieren. Obwohl das in bestimmten Situationen nützlich sein kann, vergessen wir dabei, dass wir die Personen nicht wirklich kennenlernen, wenn wir uns nur auf dieses eine Merkmal konzentrieren. Ein Mensch ist eine komplexe und einzigartige Mischung aus zahlreichen Merkmalen. Das Problem kann sich noch verstärken, wenn wir die Unterschiede als Nachteil sehen, anstatt etwas Wertvolles daraus zu gewinnen.»
Sara Doneva ist eine der Teilnehmenden. Die Zwölfjährige aus Nordmazedonien ist von der Übung beeindruckt: «Obwohl wir wissen, dass Diskriminierung schlecht ist, haben wir automatisch so gehandelt. Wir haben gar nicht überlegt, dass wir die Gruppen anders als anhand der Farbe der Punkte bilden hätten können. Oder dass wir Jovan in eine Gruppe aufnehmen hätten können.» Sie ist sichtbar nachdenklich.
Seit einer Woche ist Sara im Kinderdorf Pestalozzi. Angereist ist sie mit Jugendlichen aus zwei verschiedenen Schulen ihrer Heimatstadt Kočani in Nordmazedonien. Hier hat sie eine Schweizer Klasse aus Henggart (ZH) kennengelernt. Während dieser Woche tauschen sich die Jugendlichen in Workshops über Themen wie Identität, Selbstbewusstsein, Vorurteile und Antidiskriminierung aus. Sara hat neue Freundschaften geschlossen und viel gelernt. «Das Projekt hat einen besseren Menschen aus mir gemacht», erzählt sie.
«Ich bin offener, selbstbewusster und traue mich nun mehr, meine Meinung zu sagen.»
Genau dafür sind die Austauschprojektwochen da. Bei gemeinschaftlichen Aktivitäten mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern setzen sich die Projektteilnehmenden mit ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten auseinander. Durch spielerische Ansätze bauen sie Berührungsängste und Hemmschwellen ab. Diese Erfahrungen prägen sie nachhaltig. Auch Sara ist überzeugt: «Diese Zeit werde ich nie vergessen.» Sie möchte, dass auch ihre Freundinnen zu Hause erfahren, was sie hier gemacht hat, und plant, mit ihnen einige Übungen nachzuspielen.
Für die Zukunft wünscht sich Sara eine Welt ohne Diskriminierung, ohne Rassismus, ohne Krieg und ohne Kriminalität. Dass das ein hochgestecktes Ziel ist, weiss sie. Spätestens seitdem sie in der Übung selbst erfahren hat, wie schnell es passieren kann, dass jemand aus einer Gruppe ausgeschlossen wird.